Die vorübergehende Begräbnisstätte für Sowjetische Kriegsgefangenen.
„Sie nur! Ach, wie süß!“ Die kleine Anna kommt aus dem Staunen nicht heraus.
Sie ist unterwegs auf dem Bangertsweg. Idyllisch am Hang des Schlossberges gelegen, verbindet er Alt-Hoheneck mit der Ölmühle und ist gesäumt von reichlich Grün.
Bergwärts sind es meist Weinberge, die steil den Schlossberg emporführen.
Dem Neckar zu wird das Gelände etwas flacher. Streuobstwiesen und Kleingärten reihen sich hier aneinander. Vor allem die Streuobstweisen erhielten in den letzten Jahren einen neuen Nutzungszweck.
An einer dieser Streuobstwiesen hängt Anna förmlich am Holzzaun und möchte am liebsten hinüberklettern. Sie ist hin und weg von dem Gewusel, das sich da unter ihr auf der Wiese abspielt.
Munter springen die Lämmchen über die Streuobstwiese. Die jungen Böcke üben bereits den „Ernstfall“ und springen mutig aufeinander zu für die Rivalitätskämpfe ihres Erwachsenenlebens gewappnet zu sein. Das Herumgespringe macht durstig und hungrig. Das Mutterschaf ist nicht weit und erträgt geduldig die aufgedrehte Jugend, die sich dann nach Sport und Speise unter einem der vielen Obstbäume zu Mittagsruhe legt.
Welch friedliches und harmonisches Bild. Endlich hat sich auch Anna sattgesehen und geht mit Ihrer Familie weiter Richtung Alt-Hoheneck. „Darf ich mir wirklich ein Buch aussuchen?“ fragt die kleine Anna noch Ihren Vater, als sie bereits das Antiquariat am Kelterplatz erreichen. „Ja, natürlich. Das habe ich dir doch versprochen …“
Was weder Anna noch ihr Vater ahnen, ist die dunkle Vergangenheit, die
die Streuobstwiese mit den unschuldigen Schäfchen umgibt.
Denn auch Hoheneck, als Ludwigsburger Stadtteil, hat seine „braune Vergangenheit“.
Ein Teil davon ist dieses Stück Wiese
zwischen dem Hohenecker Friedhof und der Kläranlage.
Die Gemeinden wurden verpflichtet, die Bestattung von Leichen sowjetischer Kriegsgefangener unverzüglich durchzuführen,
heißt es im „Schnellbrief“ des Reichsministers des Innern vom 27. Oktober 1941.
Nach einem weiteren „Schnellbrief“ vom 5. November 1941 war für die Bestattung kein Sarg vorgesehen, sondern die Leiche „ist mit starkem Papier (möglichst Öl-, Teer- oder Asphaltpapier) oder sonst geeignetem Material vollständig einzuhüllen.“
Außerdem sollte die Bestattung unauffällig stattfinden, für den Begräbnisplatz war ein entlegener Ort zu wählen, und Feierlichkeiten sowie Ausschmückungen der Gräber hatten zu unterbleiben.
Geheime Reichssache: Erlass des Reichsminister des Inneren von 1942 (Wilhelm Frick) über die Anlegung von Friedhöfen für Sowjet-russische Kriegsgefangene.
Bezüglich der sowjetrussischen Kriegsgefangenen bestimmte ein als „Geheime Reichssache“ ergangener Erlass des Reichsminister des Inneren von 1942, dass diese in jeder Gemeinde außerhalb der allgemeinen Friedhöfe und an einem abgelegenen Ort beizusetzten seien.
Lt. Gemeinderatsprotokoll vom 05.Mai.1943:
„Die Russentransporte wurden in einem Pferdefuhrwerk durchgeführt. Es war hierbei immer Militärpersonal u. 2 städt. Arbeiter mitanwesend. Durch Arbeiter erfuhr ich, dass an der Kläranlage die toten Russen beerdigt wurden. Über den genauen Vorgang hierüber habe ich keine Kenntnis erhalten.“
"Es war ein Erlass vorhanden, dass die Russen auf dem allgemeinen Friedhof zu beerdigen wären.
Es ist ein Platz in Hoheneck bestimmt worden, wo die Russen beerdigt wurden.
Ein Teil (des Gemeinderats) war dafür, dass die Russen in den Steinbruch kamen und mit Schutt zugedeckt werden sollten."
„Bei Meldungen von solchen Todesfällen wurde ein Totengräber nach Hoheneck geschickt, der die Versenkung, ordnungsgemäße Eintragung usw. überprüft hat. Es ist mir nicht bekannt, dass dort Unregelmäßigkeiten bei der Beerdigung vor sich gegangen sind. Während meiner Tätigkeit (1.10.44 bis 1945) fanden dort – soweit erinnerlich – nur 3 Beerdigungen statt.“
„Ich habe keine Russen hineinwerfen lassen. Die Beerdigungen geschahen durch Herrn G.. Ich weiß nur, dass in jedes Grab 2 Russen gelegt wurden. Es ist mir nicht bekannt, dass etwas anderes gemacht worden wäre. Der Tote wurde nicht im Sarg beerdigt, sondern die Särge mussten nachher wieder abgeliefert werden. Bei der Beerdigung war niemand, außer von der Friedhofsverwaltung das Personal, dabei.“
Doch es kam anders....
1945 hatte die "Herrenrasse" den Krieg verloren. Das Deutsche Reich lag am Boden. Bei der Aufarbeitung der Nazi-Verbrechen wurden die Siegermächte auch auf den "geheimen" Russenfriedhof in Hoheneck aufmerksam.
Am 01.Januar 1946 wurden die dort vergrabenen 72 russische Kriegsgefangene in den Alten-Friedhof nach Ludwigsburg umgebettet.
Ehemalige NSDAP-Parteifunktionäre mussten die Leichen der Russischen Kriegsgefangen selbst ausgraben.
Die Kriegsgefangenen fanden im Ludwigsburger "Alten Friedhof" ihre letzte Ruhestätte.
Die NSDAP betrachtete in ihrem Wahn Russen als "Untermenschen".
Den "arischen" Bürgern im Deutschen Reich wollte die Reichsregierung nicht "zumuten",
dass russische Kriegsgefangene im selben Friedhof bestattet werden wie sie selbst.
Jegliche Ehrung blieb ihnen versagt.
Es gab weder Grabkreuze noch Grabschmuck.
Sie wurden ohne Sarg in Tücher gewickelt und vergraben.
Sie sollten vergraben und vergessen werden. Aus der Geschichte getilgt.
Bildquelle aller Aufnahmen: Klaus Bendel -Bei anderweitigen Quellen, sind diese beschrieben.
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