Was war geschehen?
Tags zuvor liefen die Menschen, durch einen lauten Knall aufgeschreckt zum Stadttor mit dem angebauten Wachturm, der auch als Gefängnis genutzt wurde. Im Jahr 1734 saß den Hoheneckern noch die Erinnerung an die Franzosenüberfälle im Nacken. So machte sich wieder Angst breit.
Doch statt Soldaten vor dem Tor, lagen zertrümmerte Ziegel in der Gasse vor dem Turm. Oben, im Dach klaffte eine Öffnung, aus der eine wild gestikulierende Gestalt mit Schimpfworten um sich warf und weitere Unverschämtheiten verübte, die nicht näher überliefert wurden.
Der Dorfbüttel eilte nach oben und brachte den Insassen vor das Kirchenkonvent, die für solche Vorfälle zuständige, örtliche Gerichtsbarkeit.
Es war erst gestern, dass er bereits vor diesen Bürgern erscheinen musste. Nach einer 10-Stunden-Schicht im Steinbruch, hatte er das Brückenhaus besucht und hier zu tief ins Glas geschaut.
Laut grölend und lästerliche Lieder singend, war er nachts aufgegriffen worden. Am nächsten Morgen, fand er sich vor dem Kirchenkonvent wieder.
Sein treuer Hundeblick, half ihm dieses Mal nicht. Selbst sein Taufpate, der Pfarrer des Ortes, stimmte dafür, dass er für 24 Stunden in den Bürgerturm zu sperren sei.
Zutiefst enttäuscht wurde er abgeführt und in den Bürgerturm gesperrt. Dort schlug die Enttäuschung in Wut um.
Er schimpfte vor sich hin.
Über Gott und die Welt, über die Ungerechtigkeit und besonders über seinen Patenonkel, den Pfarrer.
Er setzte sich auf den Boden und spürte etwas hartes in seiner Hosentasche. Er griff hinein und heraus zog er einen Rötelstift, den er sonst für die Markierung von Steinen nutzte.
„Alle Welt soll es wissen!“ plapperte er vor sich hin, nahm den Stift und beschrieb die Wand seines Gefängnisses:
“Um des alten Pfarrers willen hab ich im Thurm gebüßt“
„Seht ihr es? So steht es nun geschrieben!“ rief er laut. Doch niemand schien ihn zu hören. So hob er die Dachziegel des Turmes ab und brüllte seinen Ärger durch das offene Dach hinaus in die Welt ...
Nun stand er schon wieder vor dem Kirchenkonvent. Das Urteil von 1734 ist in der Stein´schen Chronik auf Seite 48 überliefert:
Ein Steinhauer von Hoheneck hat kürzlich als er im Turm gelegen, das Dach auf beiden Seiten abgehoben, grobe Insolenzien (Unverschämtheiten) verübt, auch Herrn Pfarrer Kapff zum Affront mit Rötel geschrieben:
“Um des alten Pfarrers willen hab ich im Thurm gebüßt“
Wegen verübter Gottlosigkeiten und ärgerlich Bezeugnis soll er auf ein neues 24 Stunden in den Thurm. Dass er aber seinen alten ehrbaren Herrn Pfarrer und zugleich Gevattern (Patenonkel) also prostituieret (von lateinisch prostituere „nach vorn/zur Schau stellen“), soll er seinen Frevel mit 3 x 24 Stunden im Thurm abbüßen, Herrn Pfarrer vor dem Kirchenkonvent publice deprezieren und seine Lästerschrift in Gegenwart einer ehrbaren Person heraushauen.
So „depreziert“ (entschuldigt) er sich „publice“ (öffentlich) vor dem Kirchenkonvent bei seinem Pfarrer und landet für weitere 3 Tage im Turm, wo er unter den strengen Augen der ehrbaren Person, seine schriftgewordene Freveltat mit Hammer und Meißel „heraushaut“.
Einen seltsamen Anblick bietet der Steinhauer, der da vor einer Wand kniet. Während seiner Arbeit dreht er sich immer wieder um. Ein Mitglied des Gemeinderats steht hinter ihm und beobachtet jede seiner Handlungen. Doch ist es kein Kunstwerk, das hier entsteht; es ist ein Bestandteil einer Bestrafung.
Die Informationen zu diesem Ereignis sind der Stein´schen Chronik entnommen.
Die Bilder gestaltete ich mit Unterstützung von KI. (MS-Designer + Canva Magic Media)
Es wirkt auf uns befremdlich, dass die bürgerliche Justiz und kirchliche Würdenträger zusammen in einer kirchlichen Gerichtsbarkeit tätig waren.
Allerdings gilt es Folgendes zu bedenken:
1734 sind immer noch die Nachwirkungen des 30-jährigen Krieges und der nachfolgenden Überfälle zu spüren.
Recht, Ordnung und somit Sicherheit wieder herzustellen, ist eine wichtige Aufgabe in dieser Zeit.
In Württemberg übernimmt dies, neben der weltlichen Gerichtsbarkeit der Kirchenkonvent.
Auch im ehemaligen Städtchen Hoheneck.
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